Milenko Kovacevic behandelte in seiner Bachelor-Thesis an der Fachhochschule St. Gallen das Thema «Implementierung von Digital Signage in eine Omnichannel Strategie». Dazu führte er ein Interview mit Marc Bislin, Gründer point break, durch.
Folgend veröffentlichen wir dieses Interview:
Die Unterscheidung zwischen Cross Channel Marketing und Omni-Channel Marketing ist schwierig. Wie unterscheiden sich diese zwei Begriffe?
Marc Bislin: Ja, die Begriffsthematik in diesem Bereich ist tatsächlich etwas verwirrend. Viele Fachleute gebrauchen die beiden Begriffe auch synonym.
Grundsätzlich geht es bei beiden Begriffen darum, dass der Kunde sich über diverse Vertriebskanäle eines Unternehmens bewegen kann und die Daten nahtlos übergeben werden. Also beispielsweise kann sich der Kunde online informieren und offline einkaufen oder aber er geht zuerst in den stationären Laden und bestellt dann online.
Der Unterschied liegt beim Kundenfokus. Rein technisch gesehen findet beim weiterentwickelten Ansatz Omni-Channel eine Zentralisierung der Datenverwaltung statt um damit den Kunden noch mehr in den Fokus zu rücken. Omni-Channel Marketing ist daher die Weiterentwicklung von Cross-Channel. Das Unternehmen nutzt diverse Kanäle. Kommunikation und Verkaufsprozess finden kanalübergreifend statt. Die Daten werden aber zentral verwaltet, sodass die Kunden jederzeit Zugriff auf das gesamte Angebot haben, unabhängig, auf welchem Kanal sie sich gerade befinden. Der Fokus liegt also auf dem Kunden. Beim Cross-Channel Ansatz werden die Kanäle zwar miteinander koordiniert, bleiben aber technisch und organisatorisch voneinander getrennt.
Welchen Mehrwert liefert Omni-Channel Marketing?
Omnichannel Marketing liefert für Unternehmen folgenden Mehrwert:
- Konsistentes, positives Kundenerlebnis über alle Vertriebskanäle. Der Kunde hat jederzeit die freie Wahl, über welchen Kanal er mit dem Unternehmen kommuniziert oder Produkte und Dienstleistungen kauft
- Mehr Absatzchancen – Je mehr vernetzte Absatzkanäle, desto höhere Absatzchancen. Auch Upselling-Möglichkeiten werden verstärkt.
- Mehr Daten – Unternehmen können mehr und bessere Daten aggregieren und so eine 360°-Sicht ihrer Kunden entwickeln. Dies hilft, die Kundenbedürfnisse noch besser zu antizipieren und nützlichere Produkte zu entwickeln.
- Mehr Loyalität – Mit einem positiven Kundenerlebnis entsteht mehr Loyalität und Word-of-Mouth. Durch ein besseres Verständnis der Kunden kann Vertrauen geschaffen werden – dies führt zu mehr Loyalität
Was sind die wichtigsten Trends im Omni-Channel Marketing?
Omni-Channel Marketing führt zu einer professionellen Personalisierung, z.B. durch eine individuelle und bedürfnisorientierte Zielgruppenansprache. Zusätzlich führt das Omni-Channel Marketing zu neuen Formen der Kundeninteraktion. Beispielsweise mit der Integration von Online-Kundenberatungen. Die virtuellen Beratungen können einerseits durch Live-Chats mit Mitarbeitern aus Kundendienst/Verkauf, andererseits aber auch durch Chat-Bots durchgeführt werden.
Weitere wichtige Trends sind die Themen Everywhere Commerce und Mobile. Im Handel verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen den diversen Kanälen. Der Kunde informiert sich online und die ganze Welt wird zum Laden – jederzeit. Durch Smartphones wird heute jeder Ort zum virtuellen Einkaufszentrum. Der Konsument entscheidet, wann, wie und wo er kauft.
Im Kern des „Everywhere Commerce“ Gedanken steht das Kundenerlebnis, das dem Kunden kanalübergreifend ein positives und kundenorientiertes Einkaufserlebnis bescheren soll. Auch der stationäre Handel soll zukünftig noch stärker in dieses Konzept eingebunden werden – mit dem Ziel, für die Kunden ein aussergewöhnliches Einkaufserlebnis zu bieten.
Was sind Gründe, dass Unternehmen noch kein Omni-Channel Ansatz verfolgen?
Dazu gibt es aus meiner Sicht verschiedene Gründe. Einerseits liegt es vielfach an einer fehlenden Strategie in diesem Bereich. Omni-Channel basiert auf einer fundierten Strategie. Und «Struktur folgt Strategie» – nach der Strategieentwicklung muss die Organisation überprüft und möglicherweise angepasst werden.
Vielfach sind Unternehmen jedoch organisatorisch nicht auf Omni-Channel ausgerichtet. Beispielsweise arbeiten klassische Retail intern gegen E-Commerce Abteilungen und erhalten verschiedene Zielsetzungen im Management. Dies fördert nicht selten ein «Gärtchendenken» und verhindert einen erfolgreichen Omni-Channel Ansatz.
Ein weiterer Grund kann eine nicht auf Omni-Channel ausgerichtete IT-Infrastruktur sein. Vielfach existiert noch kein einheitliches Datenmangement über alle Kanäle. Eine organisch gewachsene Systemlandschaft hat gerade bei etablierten Unternehmen vielfach die Folge, dass ein einheitliches Daten- und Informationsmanagement nicht mehr gewährleistet ist und eine Ausrichtung auf Omni-Channel/Everywhere-Commerce eine grosse Investition in die IT bedeutet. Hierzu empfiehlt sich beispielsweise der Aufbau eines professionellen Produktinformationsmanagement (PIM), welches Produktedaten zentral und medienneutral speichert und distribuiert. So können die verschiedenen Kanäle effizient mit einheitlichen Daten bespielt werden.
Welche Branchen können Omni-Channel Marketing nutzen?
Prädestiniert für Omnichannel ist naturgemäss die gesamte Retail-Branche. Allerdings macht der kundenzentrierte Ansatz des Omni-Channels nicht Halt an einer Branchengrenze. Denn die Menschen bewegen sich heute auf unterschiedlichsten Kanälen. Grundsätzlich ist bereits heute der Anspruch der Kunden, über alle Kanäle hinweg konsistent mit einem Unternehmen zu kommunizieren. Deshalb sehe ich den Omni-Channel Ansatz zukünftig auch bei anderen Branchen, wie beispielsweise Automobil, Banking, Versicherungen, Bau/Handwerk, B2B und Verwaltung (E-Government).
Welche Instrumente gibt es, um die verschiedenen Kommunikationskanäle zu verbinden?
Grundsätzlich müssen Kanäle in irgendeiner Form digitalisiert werden um eine automatisierte und effiziente Verbindung der Kanäle zu gewährleisten.
Die Verbindung von digitalen Kanälen wie Website, Online-Shop, Social Media, Suchmaschinen oder Newsletter erfolgt durch eine Verknüpfung der Daten in einheitlichen Tracking- und Analytics Systemen. Zusätzlich sorgt ein ERP-System für eine Vereinheitlichung der Produkte- und Kundeninformationen.
Beim Point-of-Sale (POS) können beispielsweise Tablets über Kundenlogin dem Nutzer direkt die von ihm online ausgewählten Produkte anzeigen und zur Verfügung stellen. Auch diese Daten sollten über das einheitliche ERP-System verwaltet werden.
Bei Kanälen wie Out-of-Home oder TV gibt es ebenfalls Möglichkeiten, die Kommunikationskanäle so miteinander zu verbinden, so dass eine personalisierte und konsistente Kommunikation ermöglicht wird. Zum Beispiel wird es mit digitalen und vernetzten Displays bei Digital Signage oder personalisierter Werbung im TV möglich werden, zielgruppenrelevante Botschaften zu kommunizieren.
Welche davon werden am häufigsten eingesetzt?
Die meist fortgeschrittenen Kanäle im Bereich des Data-Driven-Marketing sind ganz klar die Online-Kanäle. Grund dafür ist, dass dort bereits zu mit überschaubarem Aufwand die Kanäle untereinander verbindet werden können um so die Kommunikation möglichst zielgruppengerecht zu betreiben. Allerdings gibt es gerade bei den Online-Kanälen noch viel Optimierungsbedarf.
Die weiteren Kanäle wie TV, POS, OOH, etc. sind da noch in einer früheren Phase und digitalisieren sich teilweise erst heute. Das benötigt Zeit und Investitionen. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich auch diese Kanäle weiter in Richtung «Smart Data & Personalisierung» entwickeln werden.
Welches sind für Sie die wichtigsten KPI’s, um den Erfolg von Marketingaktivitäten zu messen?
Grundsätzlich leiten sich KPI’s (also Key Performance Indicators) immer von den gegebenen Zielen ab. Beispiel: Wenn mein Marketingziel die Erhöhung der ungestützten Markenbekanntheit ist, so sind KPI’s wie Reichweite und Frequenz innerhalb der Zielgruppe sinnvoll. Möchte ich mit meiner Massnahme direkten Absatz erzielen, so sind KPIs wie Conversion-Rate oder Cost per Conversion sinnvoll. Dies unterscheidet sich aber je nach Ziel. Wir von point break unterstützen unsere Kunden dabei, die richtigen KPIs für ihre Marketingziele zu definieren und diese auch zuverlässig zu erfassen und zu überwachen.
Wie wird der Marketingerfolg von Aussenwerbung gemessen?
Meiner Meinung nach wird Aussenwerbung in den nächsten Jahren eine grosse Veränderung durchleben. Bis anhin wurde Out-of-Home als reiner Reichweitenkanal eingesetzt und die Möglichkeiten der Zielgruppen-Ausrichtung beschränkt.
Zukünftig könnte sich das ändern. Grund dafür sind digitalisierte Out of Home Platzierungen – kombiniert mit innovativer Technologie. Beispiel: Advertima, ein Startup aus St.Gallen entwickelt eine innovative Technologie, dass «Plakate» intelligent werden lässt. Das heisst, digitale Out-of-Home Technologie erkennt, wer vor dem Plakat steht. Dies führt dazu, dass Out-of-Home Werbung künftig viel zielgerichteter und interaktionsbasierter (z.B. Gamification) eingesetzt werden kann. Ebenso entsteht ein grosser Freiraum im Bereich der Kreation, wo man diese Art von Personalisierung clever für sich nutzen kann.
Dies führt dazu, dass neben den klassischen Reichweitenwerten künftig auch «Conversions» oder «Interaktionen» gemessen werden.
Wie häufig sollen diese KPI’s überprüft werden?
Die KPIs sollten sehr regelmässig überprüft und beurteilt werden – auch während der Kampagne. Ich vergleiche dies mit einer Online-Kampagne. Dort werden schon heute Werbemittel dynamisch auf Grund der Leistungswerte angepasst. Warum soll das auch nicht in der Aussenwerbung oder im TV passieren?
Was sind die grössten Herausforderungen beim Implementieren von neuen Kommunikationskanälen?
Die grösste Effizienz herauszuholen! Viele neue Kommunikationskanäle entstehen – alte Kanäle gehen aber nicht zwangsweise gleich schnell verloren – das heisst, es entstehen zusätzliche Kanäle. Dies erfordert von den Unternehmen, die Prozesse beim Management der Kommunikationskanäle effizient zu halten, so dass auch wirklich ein Mehrwert entsteht.